„Nichts ist schöner als die Freiheit des Gedankens“ – dieser Satz von Alexander Schmorell, Teil der Widerstandsgruppe „Weiße Rose“ gegen das NS-Regime im Zweiten Weltkrieg, lässt die schweren inneren Kämpfe nur erahnen, die ein Mensch in sich trägt, wenn diese Freiheit der Gedanken sich nicht vereinbaren lässt mit den äußeren Zwängen, die ein „freies“ Handeln nur sehr schwer möglich machen. Mit diesem Widerspruch befasst sich auch das Theaterstück „Wie sie den Himmel verdunkeln“ von Jörg Neugebauer und Elvira Lauscher, das das Umfeld und die Hauptfiguren der „Weißen Rose“ näher beleuchtet. Das Oberstufentheater des Robert-Koch-Gymnasiums unter der Regie von OStRin Susanne Loring hat sich, unterstützt vom P-Seminar „Rund um Theater und Film“ und der Technikgruppe des Gymnasiums, dieses ernsten, aber nichtsdestoweniger bis heute relevanten Stoffes angenommen. Nach der Premiere im letzten Jahr an der Schule erfolgte nun eine weitere Aufführung im Kapuzinerstadl in Deggendorf, zu der Ursula Keßler von der Initiative „Demokratie leben in Deggendorf“ und Susanne Loring die interessierten Zuschauer herzlich begrüßten. Veranstaltet wurde der Theaterabend neben dem Robert-Koch-Gymnasium vom Kinderschutzbund Deggendorf-Plattling e.V. im Rahmen der Veranstaltungsreihe der „Wochen der Begegnung“ der Stadt Deggendorf.

Hans Scholl (Quirin Hofbrückl) und seine Schwester Sophie (Katharina Kroiss)
Im Zentrum von „Wie sie den Himmel verdunkeln“ steht Hans Scholl, dessen wichtigste Stationen auf seinem Weg hin zum überzeugten Widerstand gegen Hitler, dessen Regime und den Krieg gezeigt werden. In zahlreichen kurzen Szenen, die wie ein Mosaikbild nach und nach ein Gesamtbild ergeben, entwickelt Hans in persönlichen Gesprächen gegenüber den anderen Familienmitgliedern wie auch seinen Freundinnen eine Vision davon, wie er sich eine andere, bessere Welt vorstellt, auch wenn diese Vision erst nach und nach wirklich Gestalt annehmen sollte. Äußere Einflüsse wie seine Gerichtsverhandlung wegen Geheimbündelei, die Verhaftung des Vaters oder auch die Zeit seiner Schwester Sophie beim Reichsarbeitsdienst beeinflussen diese Entwicklung nachhaltig. Im Kriegseinsatz in Russland beschreibt er aus der räumlichen Distanz zu Deutschland mit dem Hinweis auf die „Dohlen, die den Himmel verdunkeln“ gegenüber Freund Alexander Schmorell seine Gefühlslage und sieht immer mehr die Notwendigkeit zu handeln. Im weiteren Verlauf ist die im reduzierten Bühnenbild immer wieder auffällig platzierte Schreibmaschine, auf der Hans seine Flugblätter für den Widerstand gegen Hitler entwirft, das entscheidende Instrument für ihn, um die Gedanken in die Tat umsetzen zu können. Darsteller Quirin Hofbrückl lässt den Wechsel Hans Scholls zwischen seiner Getriebenheit von den Ereignissen und den Vorstellungen von einer besseren Zukunft, die sich aber erst manifestieren müssen, eindrucksvoll deutlich werden. Hans‘ Schwester Sophie Scholl, von Katharina Kroiss als ebenso selbstbewusste wie emanzipierte Frau verkörpert, wirkt einerseits zunächst zweifelnd, ob die Vorgehensweise, mit den Flugblättern die Öffentlichkeit zu suchen, nicht ins persönliche Unglück führt, zieht daraus aber die Kraft, den Widerstand erst recht voranzutreiben: „Es wird nicht umsonst gewesen sein!“ Schließlich nimmt das Drama seinen Lauf: Hans und Sophie verteilen die Flugblätter an der Universität (und die Darsteller nachdenkliche Sätze wie „Nie wieder ist jetzt“ auf „Flugblättern“ im Publikum), der Hausmeister wird von einer Amtsperson verhört, und der Familie Scholl mit der Mutter und Schwester Inge bleibt nur noch, die Verhaftung und Erschießung von Hans und Sophie Scholl ertragen zu müssen, der ebenso tragische wie unvermeidbare Schlusspunkt, der dennoch kein Schlussstrich sein sollte. „Wir werden die Zeit danach erleben“ – wenn dieser Satz von Hans schon nicht für ihn und seine Schwester galt, so doch für die Ideen, die maßgeblich für die „Weiße Rose“ waren.

Der bittere Abschied: Hans und Sophie Scholl müssen sich von ihrer Mutter trennen.
Mit großem Applaus bedachte das Publikum das kleine Ensemble samt Spielleiterin und zeigte sich beeindruckt von der Eindringlichkeit, mit der dieser so ernste und schwierige Stoff auf die Bühne gebracht worden war. Dies galt auch für die Nebenfiguren. Maya Schießl stellte die eher um Harmonie und Optimismus in der Familie bemühte Inge Scholl überzeugend dar. Auch Elektra Moos (Hans‘ Freundin Lisa Remppis + Mutter Scholl), Jana Gaschler (Hans‘ Freundin Rose Nägele + Verhörperson) und Nico Saller (Alexander Schmorell + Hausmeister Jakob Schmid) boten ihre verschiedenen und mitunter sehr gegensätzlichen Rollen beeindruckend dar. Abschließend richteten Katharina Kroiss und Quirin Hofbrückl im Namen der Mitwirkenden einige abschließende Worte ans Publikum, wobei sie einerseits ihre Dankbarkeit ausdrückten, „ihr“ Stück, das sie selbst ausgewählt und mitgestaltet hatten, in so würdigem Ambiente wie dem Kapuzinerstadl noch ein letztes Mal aufführen zu können, andererseits aber auch nochmals die thematische Bedeutung gerade für aktuelle politische Entwicklungen betonten. Sie wiesen auch auf die heutige Stiftung der „Weißen Rose“ hin. Und so blieb am Ende der Eindruck, dass man sich viel mehr dessen bewusst werden sollte, dass die Gedanken in jeglicher Hinsicht frei sind, was gerade in den vielen reflektierenden und angeregten Gesprächen der Beteiligten mit den Zuschauern im Anschluss an die Aufführung deutlich wurde.

Das Ensemble des Oberstufentheaters (von links): Katharina Kroiss, Quirin Hofbrückl, Nico Saller, Jana Gaschler, Maya Schießl, Elektra Moos und Regisseurin OStRin Susanne Loring